Hallo Eric!
In der Wissenschaft ist es doch seit vielen Jahren schon so, dass es nur noch wenig um Wissensgewinn geht, sondern hauptsächlich darum, irgendwas als Erster zu veröffentlichen und sich somit zu profilieren, ganz egal, ob der Gegenstand der Forschung nun Sinn macht oder nicht.
Nicht nur bei den von Dir angesprochenen Sachen ist das so, sondern auch ganz groß in der Systematik.
Jetzt ist ja die Phylogenetik das bevorzugte Mittel (morphologische und andere wichtige Merkmale wie gegografische Barrieren zur Artentrennung waren gestern), und was da zB im Schlangenbereich umbenannt wird, teilweise jede Realität ignorierend, das haut einen vom Sessel.
Da wird untersucht und infiltriert, irgendwelche uralten Gattungsnamen reaktiviert (natürlich mit neuem Autor), neue aufgestellt (von neuem Autor), Arten mit Unterarten werden entweder in zwei Arten geteilt (mit neuem Autor), oder sämtliche bislang gewesenen Unterarten werden unter völliger Ignoranz von Biogeographie etc. in eine Art eingezogen (von neuen Autoren).
Nehmen wir da mal als Beispiel die Boa constrictor...
Von der gab es bislang die Unterarten B. c. constrictor und B. c. imperator, wobei vor allem B. c. imperator einige Unterarten aufwies, die sich morphologisch, farblich und geografisch deutlich voneinander unterscheiden.
Da kamen dann Schlaumenschen dank der Phylogenetik drauf, die neuen Arten B. constrictor und B. imperator auszustellen, wobei alle Unterarten aufgehoben wurden und nun auch simple B. imperator sind. Völlig die dennoch bestehenden Eigenheiten der früheren einzelnen Unterarten ignorierend, die jetzt halt nur noch Populationen sind...
Ich finde, Genetik ist ja das aussagekräftigste, und stimmt ja auch, dass die Unterarten sich nur minimalst von der Art unterscheiden.
Aber da wird es sich dann so einfach gemacht: Alles, was genügend differenziert ist, wird 'ne eigene Art, alles was sich nicht hinreichend differenziert, kommt in die Art...
Die systematische Einheit "var.", also Varietät, gibt es in der Zoologie bereits nicht mehr, und es sieht aus, als zielte es drauf ab, auch die ssp. (Subspezies) zu eliminieren.
Und das finde ich sowas vom zum brechen, ehrlich, denn das ist dasselbe wie die Rechtschreibreform.
Teilweise ja sinnvoll, aber großteils auch Selbstverblödung... Alles schön vereinfachen, damit auch alle verstehen, was gemeint ist...
Wenn
das die Evolution nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der Wissenschaft in Anpassung an die Gegebenheiten ist, dann muss ich leider einen Moment erschüchtert einhalten und dann sagen, dass ich
nicht den Eindruck habe, dass die Menschheit sich in Richtung höherer Intelligenz entwickelt, und wir unseren Zenit also vielleicht wirklich schon erreicht und überschritten haben
...
Aber zum Thema...
Nehmen wir als Beispiel, das Wissenschaft nur
ein Aspekt der Sache ist, mal als nächstes den Netzpython...
Der hieß seit Menschengedenken Python reticulatus, und war damit auch ganz glücklich.
Dann kam die Phylogenetik, untersuchte alle Phytonidae, und fand heraus, das Python reticulatus den Python- Arten weniger nahe steht als den anderen asiatischen Pythons alá Liasis, Morelia etc. ...
Ein Verbleib in der Gattung Python schien den hochgeistigen Herrschaften also nicht mehr adäquat, aber so nahe mit einer der anderen Gattungen war er denn auch nicht verwandt, dass er in eine von denen gekonnt hätte, eine alte andere Gattungsbezeichnung existierte nicht. also musste eine neue Gattungsbezeichnung her.
Und weil man wohl was zu bauchpinseln hatte, oder sich irgendwelche Vorteile erhoffte, nannte man das Vieh dann Broghammerus reticulatus.
Nach dem Chef der Firma M&S Reptilien, Stefan Broghammer, der Forschungsprojekte unterstützt...
Da frage ich mich, was soll das? Was sagt der Gattungsname Broghammerus (auaaaaaa!!!!!!!) denn über das Tier aus?
Genetzter Broghammer, wow, was für eine aussagekräftige Bezeichnung für ein Tier
...
Von gleichen Vorgängen bei zB Kakteen fange ich jetzt lieber erstmal gar nicht, aber auch da war es nahezu ausschließliche persönliche Profilierung, die die Sache antrieb, den irgendwelches neues Wissen oder Erkenntnisse kamen dabei nicht rum...
Nein, der Wissenschaft habe ich schon lange beinahe abgewunken, seitdem auch sie leider mehr und mehr zum Selbstzweck verkommt, so himmelschreiend traurig das auch ist...
Grüße, Andreas