1. Alle Greifvögel sind faule Viecher!
Ein Jagdflug ist für einen Greifvogel sehr anstrengend. Er muss mit seinem Energiehaushalt sehr sorgsam umgehen, ansonsten kann es sein, dass er vor Erschöpfung stirbt bevor er Beute macht. Aus dem Grund halten sie sich an die einfachste Beute die sie finden können (="Faul" - je einfacher desto besser).
2. Tauben vom Taubenzüchter sind nicht so gut an die Natur angepasst wie Wildtauben.
Gezüchtete Tauben werden vom Menschen anhand von gewissen Kriterien selektiert. z.B. bestimmte form, Farbe, ausdauernder Flug, schneller Flug, hoher Flug, Bewegungsabläufe in der Luft.... Diese Kriterien gefallen dem Menschen nutzen ihnen in der Natur aber gar nichts!
Da überlebt nur der, der ständig wachsam ist und seinen Feind genau kennt. Gezüchtete Tauben haben "gelernt" sich auf den Menschen zu verlassen. Sie wissen, dass sie im Schlag Futter bekommen und müssen deshalb nicht mehr auf die Suche danach gehen. Durch diese Bindung an den Menschen haben sie aber auch verlernt, was für eine Gefahr es bedeutet auf einer freien Fläche nach Nahrung zu suchen. Dass man ständig wachsam sein muss, weil es könnte ja jede Sekunde ein Angriff auf sie gestartet werden. Sie haben vergessen, dass es Feinde gibt, die aus der Luft angreifen, die blitzschnell hier sind und den Tod bringen.
3. gezüchteten Tauben werden Leistungen abverlangt die sie in der Natur kaum erbringen müssen.
Wenn z.B. eine Brieftaube nach einem zig Kilometerflug endlich wieder nach Hause zurückkehrt ist sie müde. Oft auch noch durstig und hungrig, weil sie dann ja "schneller heimkommt". Oder sie hetzt sich erst recht ab, weil ja der Partner mit den Eiern zu Hause wartet.
4. Greifvögel sind von der Natur dazu bestimmt den Bestand ihrer Beutetiere gesund zu erhalten.
Sie fangen die Kranken, Schwachen, Unachtsamen, damit die anderen eine starke neue Generation aufziehen können. Somit ist der Bestand der Beutetiere (Verhinderung von Seuchen...) und der der Greifvögel gesichert. Da die Kranken, Schwachen und Unachtsamen auch meistens leichtere Beute sind als ein gesundes beutetier, passt das gut mit Punkt 1 zusammen.
Manche angezüchtete Eigenschaften wie zum Beispiel das "Rollen" gibt es in der Natur höchstens als Ausweichmanöver und wirkt für einen Greifvogel als Krankheitsbild (der Vogel kann nicht richtig fliegen)
Warum fressen Greifvögel so gerne Zuchttauben?
Wenn sie eine Wildtauben jagen, dann flüchtet diese meist früh, kennt ihr Revier mit sämtlichen Versteckmöglichkeiten und Fluchtwegen genau und macht daher dem Greif die Jagd sehr schwer. Oder er findet sie gleich gar nicht, weil sie sich schon rechtzeitig in Deckung begeben.
Kein Greifvogel jagt von Anfang an Zuchttauben! Aber: Ein Greifvogel streift durch sein Revier auf der Suche nach Nahrung und entdeckt einen Schwarm junger Brieftauben, die gerade um den eigenen Schlag kreisen als Vortraining für Wettflüge. Er greift an und wie es der Zufall so will, fängt er eine junge Taube, die heute zum ersten Mal den Schlag verlassen hat. Die Taube konnte noch nicht recht fliegen, tat sich mit der Orientierung noch schwer und war ganz überrumpelt, dass der Vogel, der da plötzlich daher schoss, spitze Krallen hat. Spitze, so eine leichte Beute hatte er noch nie!
Am nächsten Tag beginnt der Magen des Greifs wieder leicht zu knurren. Wohin fliegt unser Greif?
a) in dem Wald um den halben Tag eine Wildtaube zu suchen und nach 5 erfolglosen Flügen dann endlich was abzubekommen.
b) zu dem Platz, wo er gestern ohne Anstrengung eine junge Taube erwischt hat und wo er ja gesehen hat, dass es noch mehr davon gibt.
Und jetzt kommt es auf den Züchter drauf an wie die Story weitergeht wenn der Greif b) wählt.
Variante 1: er fliegt zu dem Ort und sieht die jungen unerfahren Täubchen wieder kreisen und schlägt erneut zu. In seinem Kopf festigt sich ein Gedanke "da komm ich morgen wieder her, so einfach ist es sonst nirgends..."
Variante 2: er fliegt zu dem Ort und findet NICHTS (der Züchter hat in weiser Vorraussicht die Tauben heute drinnen gelassen). Er sucht die Umgebung ab, auch nichts. Er fliegt weg, kommt etwas später wieder, wieder nichts. Ein Gedanke "Naja, vielleicht war das gestern ja nur Zufall, dass die da waren" So fliegt er in den Wald auf der Suche nach einer Wildtaube, auch kein Erfolg. Wieder zu dem Ort von gestern, immer noch nichts. Wieder in den Wald (sein übliches Jagdrevier) und da, eine Wildtaube, gefangen, satt, glücklich.
Je öfter er über Variante 1 bestätigt wird, je öfter wird er am Schlag vorbeischaun. Das kann soweit gehen, dass er nur mehr an diesem Schlag jagt und die Tauben dort so sehr "studiert" dass er schon am Einflugbrett sitzt und wartet bis sie endlich herauskommen.
Wenn er oft einen Misserfolg hat (weil keine Tauben da sind oder auch weil die Tauben wiedererlernt haben, mit dem Greif als Feind zu leben, ihm auszuweichen, zu flüchten...) dann wird er den Schlag nur gelegentlich aufsuchen oder sich wieder ganz in sein ursprüngliches Jagdgebiet zurückziehen.
Natürlich gilt das nicht allgemein für alle Tauben und alle Greife auf der Welt. Wir reden hier von Individuen, wo jedes auf seine eigene Art agiert, oft unvorhersehbar für uns Menschen.
Die Tauben einzusperren nach einem Angriff ist auch leichter gesagt als getan. Morgen ist wieder ein Alttaubenflug der Brieftauben. Wenn ich heute einen Angriff habe, kann ich doch morgen nicht den Flug aussetzen. Das ruiniert mir die Meisterschaft! Außerdem müssen die Jungen nun schon trainiert werden, damit sie bald fitt sind für ihre Wettflüge.
Da muss man sich jetzt als Züchter entscheiden:
liebe ich meine Tauben wirklich so sehr? Dann pfeift man am besten auf die Meisterschaft.
Ist mir die Anerkennung im Verein wichtiger? Dann lass ich die Tauben fliegen, darf mich aber auch nicht beschweren, wenn ein Greif mir eine Taube holt und in weiterer Folge noch andere.
Ich als Mensch züchte Tauben als Haustiere und ich als Mensch bin auch verantwortlich für deren Sicherheit!
Der Greifvogel macht keinen Unterscheid zwischen Wildtaube und Haustaube. Der unterscheidet nur zwischen leichter und schwerer Beute. Und irgendwie muss ich als Mensch ihm beibringen, dass meine Tauben die schwerere Beute sind als alle anderen, denn
1. Alle Greifvögel sind faule Viecher!