Und tatsächlich haben zahme Vögel in diesem Fall ein aus meiner Sicht schöneres Leben, den "nicht zahm" bedeutet nichts anderes als Angst - vor dem Menschen, vor der Hand
Ja, das stimmt. Es stimmt aber auch, dass Naturbruten nahezu aller Vogelarten in jungem Alter gut an den Menschen gewöhnt werden können und die nötige Zahmheit - oder sollte ich besser sagen- Furchtlosigkeit erlangen. Natürlich muss man dabei kompetent und fachgerecht vorgehen und das kann man nicht, wenn man sich nicht im Vorfeld ausführlich informiert hat. Leider hapert es da aber meist.
Zur Aussage, Handaufzucht richtet keinen Schaden an: Je mehr des arteigenen Verhaltens angeboren ist und je weniger erlernt werden muss, umso besser kommen Handaufzuchten im späteren Leben zurecht. Das trifft für viele Kleinvögel aus den meisten Verwandtschaftsgruppen zu, verlangt aber auch für diese eine frühe Sozialisation auf den Artgenossen. Deine Kleinpapageien fallen in diese Kategorie. Daher ist hier Handaufzucht unter bestimmten Bedingungen in der Tat vertretbar.
Aber so ganz allgemein gilt das eben auch nicht, denn Probleme können auch hier auftreten. Siehe dazu zB:
Kazumasa Ebisawa, Satoshi Kusuda, Shunya Nakayama, Chungyu Pai, Rie Kinoshita, Hiroshi Koie,
Effects of rearing methods on feather-damaging behavior and corticosterone metabolite excretion in the peach-faced lovebird (Agapornis roseicollis Vieillot),
Journal of Veterinary Behavior,
Volume 54,
2022,
Pages 28-35,
Und in jedem Fall ist umfassende Sachkunde unerlässlich, denn Fehler bei der Handaufzucht führen rasch zum Tod oder zu lebenslangem Leid. Das ist eher die Regel als die Ausnahme bei all den leider vielen Vögeln, die vom Züchter als Nestlinge "zur weiteren Handaufzucht" an den meist sachunkundigen Privathalter abgegeben werden.
Leider aber hört man auch von "erfahrenen" Handaufzüchtern immer noch teils schlimmes über ihre Vorgehensweisen, auf die sie auch noch stolz sind.
Aber auch in wirklich fachkundiger Obhut haben Handaufzuchten im Vergleich zu Naturbruten eigentlich immer ein komproittiertes Immunsystem und eine reduzierte Lebensdauer. Der so wichtige Einfluss der Micorbiome der Eltern auf dei sich aufbauenden Microbiome der Küken fällt ja hier völlig oder teilweise weg. Erst in den letzten Jahren beginnt man zu verstehen, wie wichtig die Zusammensetzung des persönlichen Microbioms für Gesundheit und Lebensdauer ist.
Siehe dazu zB
Pereira H, Chakarov N, Hoffman JI, Rinaud T, Ottensmann M, Gladow KP, Tobias B, Caspers BA, Maraci Ö, Krüger O. Early-life factors shaping the gut microbiota of Common buzzard nestlings. Anim Microbiome. 2024 May 14;6(1)
Perlman D, Martínez-Álvaro M, Moraïs S, Altshuler I, Hagen LH, Jami E, et al. . Concepts and consequences of a Core gut microbiota for animal growth and development. Annu Rev Anim Biosci. (2022) 10:177–201.
In den Vogelforen geht es im übrigen meist nicht um die Handaufzucht von Kleinvögeln, sondern um die kognitiv sehr hoch stehender Arten mit einer sozialen Intelligenz, die anerkanntermassen auf der Höhe derer von Primaten und Cetaceen liegt.
Ich rede von Großpapageien, Corviden, Gänsen etc. Das Verhalten dieser Vögel ist sehr plastisch und ein großer Teil ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Das geht nur über die Eltern. Elternlos in Gruppen aufgezogenen Jungtiere solcher Arten können voneinander kein Verhalten lernen, das sie nicht kennen.
Es gibt nun aber auch eine intensive Verzahnung angeborenen und erlernten Verhaltens. Vor allem im Bereich sozialer Interaktionen und Paarverhalten. Vögel , die elternlos aufzogen, kommen mit der Geschlechtsreife nahezu immer in ernste Konflikte, da sie für das erwachende angeborene Paarverhalten keine passenden Verhaltensweisen können. Das führt öfter als nicht und vielfach dokumentiert zu massiven Verhaltensstörungen und lebenslangem Leid.
Dass die Aufzucht eines Menschen durch einen extrem nahe verwnadten Bonobo nicht zu Verhaltensstörungen führen würde, wird wohl kaum jemand behaupten. Aber bei den intellektuell gar nicht so weit zurückstehenden genannten Vögeln soll das nicht gelten, selbst nicht, wennd ei Aufzucht eine völlig andere fernstehende Art übernimmt`? Das ist ebenso unwahrscheinlich wie anthropozentrisch gedacht
Siehe dazu zB :
Schmid, Rachel & Doherr, Marcus & Steiger, Andreas. (2006). The influence of the breeding method on the behaviour of adult African grey parrots (Psittacus erithacus). Applied Animal Behaviour Science. 98. 293-307.
J.C. Colette et al.
Neonatal handling of Amazon parrots alters the stress response and immune function
Appl. Anim. Behav. Sci.
(2000)
C.S. Davis
Parrot psychology and behaviour problems
Vet. Clin. North Am. Small Anim. Pract.
(1991)
J.P. Garner et al. 2003
Stereotypies in Caged Parrots, Schizophrenia and Autism: Evidence for a Common Mechanism
Ich könnte noch viel viel viel zu diesen udn weiteren von Dir angesprochenen Aspekten schreiben. Doch das muss für heute erstmal reichen. Ich habe meine freie Zeit verbraucht -und einen Großteil meienr Motivation, denn erreichen werde ich bei Dir damit ja doch nichts.